

El Pueblo de Don Rodrigo
Die Geschichte dieses Dorfes und seines Namensgeber ist weitgehend unbekannt geblieben, was an der entlegenen Gegend Castilla-La Mancha liegen mag, aber in Wirklichkeit an der konsequenten Verschwiegenheit weiter Kreise der früheren sowie heutige, vorallem konservativen Eliten Spaniens liegt. Der Versuch die Existenz dieses außergewöhnlichen Mannes mit allen Mitteln in Vergessenheit geraten zu lassen ist Teil des Erbes der feudalen Vergangenheit Spaniens. Tatsächlich begegnet man auf Schritt und Tritt den Spuren eines Mannes, den es gemäß der Darstellung bedeutender Würdenträger der spanischen Gesellschaft nie gegeben haben soll (man fragt sich, wie es dann Spuren geben kann ? ). Im Zentrum der Aufmerksamkeit der meisten Besucher der La Mancha steht die Romanfigur Don Quichote, obwohl auch ein Anderer in diesem durchgeglühten Landstrich in Zentralspanien weithin sichtbare Spuren und ein Erbe, dessen Folgen und Auswirkungen bis zum heutigen Tag anhalten, hinterlassen hat:
Don Rodrigo, im 18.Jahrhundert der am meisten gefürchtete Landadlige, dessen Ruf weit über den Rand der spanischen Meseta hinausreichte.
In seiner Funktion als oberster Richter, Polizeichef, Steuereintreiber, Lehnsherr, Stierzüchter, unbarmherziger Inquisitor und als bis zu seinem rätselhaften Tod umtriebiger Lebemann nutzte er seine allumfassende Machtposition rücksichtslos gegenüber der Landbevölkerung bis ins Letzte aus. Er unterschied sich darin nicht im Geringsten von seinem lebenslangen Widersacher Don Velasquez, den er insgeheim beneidete und deshalb abgrundtief hasste. Don Rodrigo ließ nichts unversucht um Don Velasquez und die Seinen zu schädigen wo er nur konnte. Aber das ist eine andere Geschichte...
Als besonders anstössig galt seine Angewohnheit das Recht der ersten Nacht bei Frischvermählten zu beanspruchen. Auf diesem Recht beharrte er allerdings nicht nur aufgrund seiner ausgeprägten körperliche Triebe, sondern aus machtpolitischem Kalkül heraus. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte seines Daseins gelang es ihm mit Hilfe der zahlreichen Nachkommenschaft, die sein damaliges Treiben hervorbrachte, seine Position zu festigen, indem er wichtige und einflußreiche Ämter an seine Bastarde vergab. Deren Gefolgschaft war für jeden an den stechenden blauen Augen, die auf die Vaterschaft Don Rodrigos hinwiesen, sofort erkennbar. Sobald der harte Blick dieser Augen auf jemanden fiel, versackte jedweder Widerstand. Auf diese Weise konnte er die Provinz Castilla-La Mancha nach seinen Vorstellungen gestalten, beherrschen und seinen Konkurenten Don Velasquez dauerhaft unter Druck setzen.
Über den Tod Don Rodrigos ist wenig bekannt. In der La Mancha geht bis heute das Gerücht um, dass Don Rodrigo nach einer zügellosen Nacht von einem Windmühlenflügel erschlagen wurde. Eine Verwicklung Don Velasquez wurde vermutet, aber nie bewiesen. Das Grab konnte bis heute nicht gefunden werden. Andere Mutmaßungen gehen soweit, dass sich der Dichter Cervantes bei der Erschaffung seiner Figur Don Quichote von der Geschichte des real existierenden Don Rodrigo inspirieren ließ.
Überdauert hat vor allem sein Namen, der sich bei vielen spanischen Familien aus den oben angedeuteten Gründen in den Ahnentafeln finden lässt. Die Reste seines Landsitzes verfallen heute unbeachtet am Rande einer unbedeutenden Strasse, gelegentlich von Jugendlichen für nächtliche, ungestörte Feierlichkeiten genutzt.
Stuttgart, August 2014